67. Jahrestag des Todesmarsches
Sonntag, 25. März 2012 in Maintal-Dörnigheim
25-3-45 Kollektive Performance
mit 12 Figuren
Beginn: 14.00 Uhr, Kennedystraße/Höhe Hasengasse
Ende: 15.00 Uhr, Kennedystraße/Höhe Bahnhofstraße
Fotos: Marzena Seidel
Ansprache zu Beginn, gehalten von Pfarrer Dr. Martin Streck, Maintal Dörnigheim
Meine Damen und Herren,
ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind.
Wir alle sind auf eigene Verantwortung und Gefahr hier.
Wir haben uns versammelt, um der Menschen zu gedenken, die auf dem Todesmarsch vom Konzentrationslager Katzbach in Frankfurt nach Buchenwald durch Dörnigheim getrieben wurden. Sie waren hungrig, krank, am Ende ihrer Kraft, voller Angst, ohne jede Hoffnung. Drei- bis vierhundert Männer.
Heute vor 67 Jahren war das. In den Morgenstunden. Ein paar Stunden später wurden 27 Jugendliche aus Dörnigheim in der Kirche konfirmiert. Es war verboten worden, aus dem Fenster zu schauen. Und doch bekam Dörnigheim den Todesmarsch mit. Ein Begleiter des Zuges verriet, dass es Gefangene aus dem Konzentrationslager Buchenwald waren, eingesetzt in den Adler-Werken im Frankfurter Gallusviertel.
In den Tagen danach wurden links und rechts der Reichsstraße 40 elf Leichen gefunden, im November 1945 eine weitere. Erkennungsmarken mit der Nummer des Konzentrationslagers Katzbach und die Häftlingskleidung zeigten: Opfer des Todesmarsches. Sie trugen Schusswunden. SS-Männer hatten sie erschossen. Der Dörnigheimer Totengräber hat sie in einem großen Grab eilig beerdigt.
Im Juli 1945 hatten die Amerikaner das Massengrab entdeckt. So erfuhren sie vom KZ Katzbach. Sie ließen das Grab öffnen und ordneten ein würdiges Begräbnis an. Am 12. August, eine Woche vor der Explosion am Bahnhof, wurde für die Toten des Todesmarsches auf Dörnigheimer Gebiet eine Trauerfeier auf dem Friedhof gehalten. Anschließend wurden zehn Leichen würdevoll bei dem Ehrenmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges im Wald, dort wo sich jetzt die Hermann-Löns-Straße befindet, beigesetzt. Später wurden sie nach Schlüchtern umgebettet.
Es fällt schwer, sich an den Todesmarsch zu erinnern. Schrecklich ist, was die Überlebenden berichtet haben. Nur wenige Menschen in Dörnigheim erzählen davon. Der Marsch der getriebenen Häftlinge hat lastende Bilder in den Herzen derer hinterlassen, die es gesehen, die den Schrecken verspürt haben.
Noch schwerer lastet es auf denen, die damals von der SS durch unseren Ort getrieben wurden. Kajetan Kisinski, einer der Überlebenden, sagte nach einem langen Interview zu seiner Gesprächspartnerin: „Nichts von dem, was ich erlebt habe, haben Sie erfahren! Nichts. Diese Angst und Entwürdigung kann man nicht beschreiben.” (Skibinska 111)
Drei Überlebende leben noch in Warschau. Sie wissen um das, was wir hier gemeinsam tun.
Zwölf Figuren stehen hier. Sie sind gefilzt aus grauer Wolle, über einfache Gestelle aus Eisen gelegt.
Betrachten Sie die Figuren. Gedenken Sie der Menschen, für die diese Figuren hier stehen.
Nach einer Zeit wird jemand eine der Figuren nehmen und ein Stück weiter Richtung Osten stellen. Dann noch jemand und immer so weiter. In aller Ruhe.
So werden die Figuren langsam die rund 200 Meter bis zur Bahnhofstraße gehen. Wir begleiten sie. Wir tun das vor allem schweigend. Dabei werden wir Frieden wahren. Mit der Zeit wird das, was war, in Frieden kommen.